Waisenhaus in Indien
20 Jahre finanzierte die Aktion Kleiner Prinz den Betrieb des Waisenhauses in Lalgudi, Tamil Nadu / Indien, das sie 2005 nach dem verheerenden Tsunami im Dezember 2004 bauen ließ. In 2024 lief diese Finanzierung aus, da die damals aufgenommenen Kinder inzwischen auf eigenen Füßen stehen. Das Waisenhaus wird der schon bestehenden NEST-Schule angegliedert. Die Aktion Kleiner Prinz bleibt aber mit deren Leiter, Reverend Victor, in Kontakt und hilft weiterhin in Notfällen.
In der Coronazeit kamen viele Herausforderungen auf den Leiter der Organisation NEST zu. In mehreren Aktionen wurden Lehrer, Angestellte und insgesamt 607 Schüler*innen mit Coronamasken und bedürftige Familien mit Grundnahrungsmitteln versorgt. Diese Hilfsmaßnahmen wurden nach einem Hilferuf von Rev. Victor im Frühjahr und Sommer 2021 von der Aktion Kleiner Prinz finanziert. Die Corona-Pandemie verlief in Indien, insbesondere im Bundesstaat Tamil Nadu, anfangs besonders dramatisch. Eine neue Virusvariante und eine hohe Anzahl von Neuinfektionen belasteten das Gesundheitssystem. Aber auch wenn sie selbst nicht erkrankt waren, war das Leben vieler Menschen durch den Hunger bedroht. Infolge des strengen Lockdowns gab es keine Arbeit und damit auch kein Einkommen. Die Hilfspakete der NEST-Organisation haben zweifellos das Leben vieler Menschen gerettet.
Die Gründe für den Bau des Waisenhauses waren dramatisch.
Zwei Wochen nach der Katastrophe, am 6. Januar 2005, erhielt Projektleiter Dieter Grothues eine E-Mail von S. Maria Victor aus Südostindien, in der uns dieser um Unterstützung für den Bau eines Waisenhauses für die Tsunamiopfer bat. Victor hat einige Jahre in Bayern als Priester gearbeitet und spricht Deutsch.
Er ist Leiter der öffentlichen, wohltätigen indischen Stiftung NEST (Navadeepam Educational Social Trust), die sich ausschließlich aus Spenden finanziert. Voraussetzung für die Übernahme und Adoption der Kinder durch NEST war der Nachweis, dass langfristig für ihren Lebensunterhalt gesorgt wird. Die Aktion Kleiner Prinz und die „Freunde indischer Kinder in Hagen a. T.“ stellten den Behörden die entsprechenden Zusicherungen zur Verfügung.
Kinder, die ihre Eltern verloren und keinerlei familiären Schutz mehr haben, sind in Indien in höchstem Maß gefährdet. Sie werden meist zu Opfern von skrupellosen Ausbeutern, die sie zu Kinderarbeit, Zwangsprostitution u. ä. missbrauchen. Staatliche Fürsorge ist dort so gut wie unbekannt.
Reverend Victor überzeugte uns davon, dass den jungen Tsunamiopfern am wirksamsten durch den Bau eines Waisenhauses geholfen werden konnte. Wir sagten unsere Hilfe für die finanzielle Unterstützung bei der Errichtung eines Heims für bis zu 65 Kinder zu.
Bis Ende des Schuljahres 2005 lebten diese Kinder noch in den elenden Behelfsunterkünften der Küstenorte südlich von Madras, im Mai konnten sie dann den (allerdings erst halbfertigen) Neubau in der Kleinstadt Lalgudi im Landesinneren Südostindiens beziehen. Ende 2005 wurde das zweistöckige Gebäude mit dem Namen „Good Shepherd Home“ (Haus des Guten Hirten) nach nur zehnmonatiger Bauzeit endgültig fertig gestellt. Beim Bau des Hauses waren lokale Unternehmer und über 30 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt, die durch diese Arbeit mehr als 10 Monate in Lohn und Brot standen.
Die Kinder sind in dem schönen neuen Heim gut untergebracht und fühlen sich wohl. Sie erhalten dort Zuwendung, regelmäßige, ausreichende Mahlzeiten, Kleidung, medizinische Betreuung und nicht zuletzt eine solide Ausbildung, die auch in Indien der Schlüssel für eine bessere Zukunft ist.
Geborgenheit, Sicherheit und eine hoffnungsvolle Lebensperspektive haben ihnen auch bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse geholfen. Für ihr Wohl sorgen sieben Angestellte – unter ihnen einige Witwen, die durch den Tsunami alles verloren haben.
Der Tagesablauf im Waisenhaus ist diszipliniert und verläuft nach festen Regeln, die auch die Landesgepflogenheiten mit einbeziehen: So wird auf dem Boden geschlafen und, am Boden sitzend, mit den Fingern gegessen. Freizeit gibt es wenig; Freiheiten, wie sie Kinder und Jugendliche in den westlichen Ländern kennen, sind in Indien undenkbar. Im Aufenthaltsraum gibt es zwar einen Fernseher, der jedoch nur selten benutzt werden darf.
Die jüngsten Kinder besuchen den Kindergarten, der sich in der NEST-Schule neben dem Waisenhaus befindet. Die älteren werden mit dem NEST-Bus zu den Schulen in Lalgudi gebracht.
Da der Kontrast zwischen dem schmucken neuen Waisenhaus und der armen Umgebung auf die Dorfbewohner vielleicht erdrückend wirken könnte, sind wir froh, dass auch diese direkt und indirekt vom „Haus des Guten Hirten“ profitieren: So ist der Besuch der NEST-Schule kostenlos, und einige Dorfkinder erhalten kostenlos Essen. Zusätzlich fördern wir ein Existenzgründungsprogramm für 50 Mütter mit ihren Kindern.
Wir haben die Verantwortung für die Kinder des Waisenhauses übernommen, d. h. dass wir für ihre Betreuung bis ins Erwachsenenalter aufkommen. Die Finanzierungszusage, die ursprünglich bis zum Jahre 2014 galt, wurde vom Vorstand der Aktion Kleiner Prinz inzwischen bis 2024 verlängert.
Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, nach der 10. bzw. 12. Klasse einen Beruf zu erlernen. In Lalgudi kann eine Handwerkslehre absolviert werden, die zwei Jahre dauert. Nach Abschluss der 12. Klasse können die Jugendlichen das College für Technologie, Management, Architektur u. a. besuchen. Die Hochschulen liegen im 20 km entfernten Tiruchchirapalli, das mit dem Zug erreichbar ist.
Bis zum Abschluss der Berufsausbildung können alle Schulabgänger im Waisenhaus wohnen. So befinden sie sich weiterhin unter der Obhut von Rev. Victor und dürfen seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Einige Jugendliche haben inzwischen ihre Berufsausbildung abgeschlossen, einige haben geheiratet. Natürlich bleiben ihre Plätze nicht frei, sondern werden von anderen Kindern aus dem Tsunamigebiet eingenommen. Da die gemeinsame Erziehung von Jungen und Mädchen ab einem gewissen Alter problematisch wird, nimmt Rev. Victor seit 2010 nur noch Mädchen neu auf und führt das Haus als reines Mädchenhaus für 45 bis 50 Kinder weiter.
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Das Projekt ist auf unabsehbare Zeit auf unsere Hilfe angewiesen, die wir gern leisten wollen – getreu dem Motto aus Exupérys Buch „Der Kleine Prinz“, dem wir uns verpflichtet fühlen:
„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“